Volle Fahrt in die Insolvenz
Volle Fahrt in die Insolvenz
Existenzen gehen verloren - können sie gerettet werden?
Fast täglich müssen Firmen Insolvenz anmelden und
verschwinden vom Markt. Interessiert das auch den Kunden?
Das sowieso schon zu kleine Besprechungszimmer platzt heute aus allen Nähten. Das komplette Team der snail on wheels Spedition sitzt dicht gedrängt zusammen.
Benjamin wirft in die Runde, dass ein grösseres Zimmer für die Besprechungen von Nöten wäre und er dankt, dass alle trotz hoher Auftragslage und entsprechender Zeitnot gekommen sind.
Jeder hat seinen Platz gefunden, einige bedienen sich an den Keksen, die in einer Schüssel auf dem Tisch auf ihre Abnehmer warten. Andere schenken sich aus der Kanne Kaffee oder Tee in die Tassen.
„Okay, Leute. Telefone aus machen bitte, das können wir nicht brauchen.“
Diese Worte waren der Startschuss für die heutige aussergewöhnliche Besprechung, die bisher in dieser Form noch nie in der Geschichte der snail on wheels statt gefunden hat.
„Wie ihr wisst, hat Raimund, der Chef der Dortmund Spedition riesige Probleme. Ein einziges Chaos herrscht dort. Leute, ich kann euch sagen. So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nie erlebt. Vor drei Tagen hat auch noch einer seiner Fahrer zu guter Letzt Raimunds finanziellen Rettungsanker, einen super guten Auftrag, in Schrott verwandelt. Der Typ hat einen Unfall gebaut, ist schuld, und die ganze Ladung inklusive Transporter am Arsch. Die Versicherung kannst du ins Klo hauen. Das wird dauern, wenn die überhaupt je zahlen sollen. Das Ganze ist oben Estland, in Tartu wenn ich mich recht erinnere, passiert. Beide Fahrer verletzt. Kurz und gut. Raimund muss Insolvenz anmelden. Punkt.“
Ein Auftrag mit kostbarer Last hätte die Insolvenz von Raimund aufhalten können.
Eine Existenz endet im Desaster.
Ein überraschend klingendes Geraune geht durch das Team.
Benjamin hebt die Arme in die Luft und senkt diese mit kleinen, wippenden Bewegungen wieder, bis seine Hände auf der Tischplatte liegen bleiben. „Bevor jetzt jeder die Klappe aufmacht, bitte ich um Ruhe! Ich habe nämlich mit Raimund Kontakt aufgenommen, als ich dieses Desaster hörte und mich zu folgenden Schritten entschlossen:
Wir werden Raimund`s Spedition übernehmen!“
Hätte nun wer eine Stecknadel fallen lassen, wäre der Aufprall noch in Sibirien zu hören gewesen - solch eine Stille wabert über dieses Besprechungszimmer.
Bevor wer irgendetwas sagen kann, fährt Benny mit fester Stimme fort:
"Raimund hat noch vier LkW, die wir übernehmen. Den Rest hat er schon verkaufen müssen, damit die letzte Löhne seiner entlassenen Fahrer ausbezahlt werden können.“
Phillip fällt Benjamin ins Wort: „Also die Insolvenz ist schon da?“
„Ja. Gebäude ist gepachtet, das fällt raus aus der Insolvenz. Den restlichen Fuhrpark können wir komplett haben und das sind die vier Zugmaschinen und mit den Aufliegern.
Wir übernehmen ab nächsten Ersten die Gebäude, eröffnen also einen Standort in Dortmund. Der Vermieter von der Bude ist einverstanden, Vertrag liegt Unterschriftreif in meiner Schublade. Muss nur noch den Stift zücken.
Danach fahren wir das Vierergespann nach Tallin zu unserem Standort hoch.“
Sophie erhebt die Stimme mit der Frage: „Öhm, wer soll denn die dann fahren und wer verwaltet den Talliner Standort? Wir haben weder Fahrer noch Verwalter!“
„Mädchen!“ Benjamin beugt sich über den Tisch in Richtung der vor ihm gegenüber sitzenden Sophie. „Ich übernehme noch zwei Fahrer von Raimund. Will bleibt in Dortmund und Bartozs, ein Waschechter Talliner, der die ganze Zeit sowieso dort oben im Ostblock gefahren ist, übernimmt vorerst den Standort.“
„Und die Raimund Züge verkloppt er dann an die Polen und macht sich einen schönen Lenz da oben?“ Gelächter über Richards Einwurf bricht im Büro aus.
Benjamin muss zwar auch mit grinsen aber er stützt seinen Kopf in seine Handflächen. „Nee, ernsthaft, Leute!“ Wieder sitzt der Chef aufrecht auf dem Stuhl und fährt mit ernster Stimme fort.
„Bei Sophie läuft eh alles zusammen. Es ändert sich also für Euch nichts. Will hat Familie in Dortmund und ist seit über 10 Jahren in Raimunds Laden dabei. Hat also Ahnung. Bartozs hat in Tallin Frau und drei kleine Kinder und muss von nun an nicht jedes Wochenende von Dortmund nach Hause brettern, damit er seine Kinder sehen kann. Kostet auch ne Stange Kohle, die er sich jetzt sparen kann.
Wir fahren die letzten Aufträge von Raimund ab und übernehmen auch seine bisherigen Auftraggeber. Dafür brauche ich aber jetzt noch einen, der mit mir die nächste Woche alle abklappert. Wollen uns doch vorstellen. Den Kunden soll es egal sein, wer sie zufrieden stellt, der Preis bleibt gleich für die.“
Jaroslaw, der direkt links von Benjamin sitzt, kratzt sich verdächtig unter seinem Käppi und rückt es auf dem Kopf hin und her. „Chef? Dann haben wir noch mehr Arbeit. Wie sollen wir das schaffen? Es ist doch schon jetzt fast zu viel.“
„Jaro! Hat es schon einmal etwas gegeben, was wir nicht geschafft haben? Wir stellen dann noch Fahrer ein, die Kohle für die Trucks haben wir gespart, denn die sind ja vorhanden. Dann bestücken wir Tallin mit denen voll und schon ist alles in Butter.“
„So einfach wird das nicht, Benny!“ Schnauzt Kim aus sich heraus. „Ich fahre auch schon am Limit und will wen in Milano dazu haben.“ Kim`s Schmollmund schätzt Benny und verspricht ihr an sie zu denken, wenn es soweit wäre. Er fügte noch an, dass er Raimund angeboten habe, für ihn zu fahren, bis er wieder Asphalt unterm Gummi hätte. Weil Raimund Familie hat, wird er dieses Angebot von Benjamin kaum ausschlagen können. Denn die Schnäbel wollen alle gefüttert werden.
Lucas meint noch, dass die Farbe der Gespanne aus Raimunds Spedition einfach nicht zu der Fahrzeugfarbe der snail on wheels Trucks passen würde. Lapidar antwortet ihm Kim, er könne ja einen Pinsel nehmen und sie entsprechend selbst anmalen und dass die Farbe im Moment das geringste Problem der Angelegenheit wäre. Matthew grinst nur.
Es klopft an der Tür und es steht ein strammer, bärtiger Kerl im Rahmen. „Hallo zusammen. Daniel mein Name. Junggebliebener, mit kräftigen Oberarme, unabhängiger Fernfahrer, momentan hungernd nach einer Dieselsuppe im Teller sucht dringend Arbeit. Braucht ihr wen?“
Kim springt wie eine Rakete von ihrem Stuhl auf und schreit fast: „Ja! Ich such einen Kerl!“
Die Augen jedes einzelnen in dem kleinen Büro starrten synchron zu Kim. So kennen sie ihre kleine Truckerin in keinster Weise. Daniel schluckt erkennbar über so viel Temperament, geht auf Kim zu, nimmt sie in seinen linken Armhebt sie hoch, gibt ihr einen lauten Schmatz auf die Stirn und sagt mit tiefer Brummstimme: "Babe, dann bestell morgen gleich das Angebot!"
Alle müssen anfangen zu lachen. Benjamin lehnt sich in seinem Stuhl zurück, verschränkt seine Arme hinter dem Kopf und murmelt hörbar:
„Suchst du eine Asphaltpartnerin?“ Daniel nickt.
„Dann willkommen im Team.“ Benjamins und Daniels Hände schlagen ineinander. Kim steht wieder auf dem Boden und alle Crewmitglieder begrüssen herzlich den Neuen.
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